Was erwartet dich bei der pränatalen Untersuchung? Und wie bereitest du dich darauf vor? Viele Schwangere gehen zur Pränataldiagnostik, um hinterher beruhigt sein zu können. Warum das der falsche Ansatz ist und wie du den für dich richtigen Weg findest, erkläre ich hier. Mit Checkliste am Ende des Beitrags.
„Nur um auszuschließen, dass was ist.“
„In den nächsten Wochen gehen Sie dann noch zum Zahnarzt und zur Pränataldiagnostik“, sagte meine Frauenärztin beiläufig bei einer der ersten Untersuchungen während meiner Schwangerschaft.
Ich antwortete, dass ich auf pränatale Untersuchungen verzichten wolle, auch die Nackenfalten meiner Zwillinge solle sie nicht messen.
Sie setzte sich über meinen Wunsch hinweg und verkündete fröhlich: „Ist alles unauffällig!“. Und dann fiel der Satz, den ich später noch häufiger hörte. In der Familie, von Freundinnen und Bekannten: „Ich würde schon zur Pränataldiagnostik gehen, nur um auszuschließen, dass was ist.“
Dieser Moment war der Auftakt einer Erfahrung, die mich in meinen Grundfesten erschütterte. Und das gleich aus mehreren Gründen. Der erste war: Ich hatte klar gesagt, dass ich diese Untersuchungen nicht wollte. Ich wollte nicht wissen, ob eines meiner Kinder eine Behinderung hat. Doch das Recht auf Nicht-Wissen muss man mit aller Kraft verteidigen.
Der zweite Grund war die Selbstverständlichkeit. Als gäbe es keinen Unterschied zwischen einer Zahnarzt- und einer pränatalen Untersuchung. Als wäre es ein Naturgesetz, das ungeborene Kind durchzuchecken. Ohne darüber nachdenken.
Du hast die Diagnose bekommen, dass dein ungeborenes Kind eine Behinderung hat und möchtest darüber sprechen? Oder du bist dir unschlüssig, ob du zur Pränataldiagnostik gehen willst? Dann schreibe mir gerne: alexandra [at] handundseele.de
„Zur Schwangerschaftsunterbrechung bitte einen Raum weiter.“
Meine Frauenärztin reagierte überrascht auf meine Antwort. Pränataldiagnostik ist Standard.
Sie erklärte mir etwas von Herzfehlern und anderen Erkrankungen, bei denen es ratsam wäre, schon vor der Geburt Bescheid zu wissen, damit keine unnötigen Risiken für das Kind entstünden.
Pränataldiagnostik kann auch Leben retten. Das leuchtete mir ein. Und so beschlossen mein Partner und ich, zum Organscreening zu gehen. Damit alles Notwendige in die Wege geleitet werden könnte vor oder nach der Geburt, sollte es erforderlich sein.
Bei der Untersuchung entdeckte der Arzt Softmarker, die nichts mit den kindlichen Organen zu tun hatten.
Er vermutete darin einen Hinweis auf eine Behinderung. „Gehen Sie doch gleich einen Raum weiter zur Fruchtwasseruntersuchung. Das sollte man jetzt schnell abklären und dann gegebenenfalls rasch die Schwangerschaftsunterbrechung durchführen.“
Ich habe kaum je einen zynischeren Begriff gehört.
Und entschied mich zu gehen.
Hauptsache, gesund!
Die Wahrheit ist: Die große Mehrheit der Schwangeren verlässt die Arztpraxis mit der Information, dass keine Auffälligkeiten gefunden wurden. Welch eine Beruhigung. Hauptsache, gesund!
Doch ist das wirklich eine Garantie auf ein sorgenfreies Leben? Kann es die überhaupt geben? Was ist mit Erkrankungen oder Gendefekten, die nicht erkannt wurden? Mit Komplikationen unter der Geburt, die schwere Schädigungen hervorrufen können? Von Krankheiten oder Unfällen nach der Geburt ganz zu schweigen.
Was aber noch viel schwerer wiegt: Wenn eben doch „was ist“, dann bleibt man damit allein. Es wird eine Welt zum Einstürzen gebracht und die Betroffenen in den Trümmern sitzen gelassen.
Unvorbereitet. Ja, schlimmer noch: Auf einmal werden die werdenden Eltern gedrängt, denn es bleibt nur wenig Zeit. Beim Organscreening ist die Schwangerschaft bereits fortgeschritten. Eine Extremsituation, ein Schockmoment. Ausgerechnet jetzt müssen weitreichende Entscheidungen getroffen werden.
Unter Zeitdruck.
Beratung? Begleitung? Fehlanzeige!
Wie viele andere Frauen habe auch ich die Erfahrung gemacht, dass es zu keinem Zeitpunkt der Untersuchung darum ging, mich offen zu beraten.
Ich wurde nicht gefragt, ob ich mich für oder gegen ein Kind mit Behinderung entscheiden würde. Dass ich die Abtreibung wählen würde, wurde einfach vorausgesetzt.
Natürlich kann ich verstehen, dass Ärztinnen und Ärzte nicht haften wollen und dass auch deshalb dieser Druck ausgeübt wird. Denn: Ist das Kind erst mal abgetrieben, dann muss auch niemand mehr für die Kosten aufkommen, die durch seine Pflege entstehen können.
Niemand fragt danach, was ein behindertes Kind für werdende Eltern bedeutet.
Es gibt vielfältige Beratungsangebote. Es gibt Möglichkeiten, Eltern von Kindern mit Behinderung kennenzulernen, sie zu treffen und nach ihren Erfahrungen zu fragen. Um sich ein Bild davon zu machen, wie es wirklich ist: das Leben mit einem besonderen Kind.
Nur wird über diese Angebote kaum informiert. Die werdenden Eltern müssen im Moment des Schocks aktiv darum kämpfen. Denn der vorgezeichnete Weg führt in den Raum nebenan. Zum Abbruch.
Bist du bereit für diese Entscheidung?
Wie gesagt, Pränataldiagnostik kann Leben retten. Und wir können froh sein, dass wir von ihr Gebrauch machen können. Abgesehen davon hat jede Frau das Recht zu bestimmen, ob sie ein Kind bekommen möchte oder nicht. Und das muss akzeptiert werden.
Jeder Schwangeren sollte jedoch klar sein, dass die Pränataldiagnostik ihr womöglich eine Entscheidung abverlangt. Nämlich dann, wenn eben doch „was ist“. Und davor ist niemand gefeit.
Eine Entscheidung, die entsetzlicher nicht sein könnte – und mit der nicht jeder leben kann. Deshalb ist es so wichtig, vorab für sich zu klären, ob man bereit ist, diese Entscheidung zu treffen.
Es sind schon viele Frauen zur Pränataldiagnostik gegangen, um sich beruhigen zu lassen. Und standen dann unvorbereitet vor der Frage: Kannst du damit leben, dein Kind abzutreiben, weil es eine Behinderung hat?
Das ist das einzige, worum es geht. Und dessen sollte man sich bewusst sein.
Es gibt keine Garantien. Niemals.
Wir können heute so viel untersuchen. So viel messen und vorhersagen. Und wiegen uns dadurch in Sicherheit. Alles scheint vorhersehbar und damit irgendwie auch beherrschbar. Kontrollierbar. Als könnte schon die bloße Tatsache, dass ein Kind pränatal untersucht werden kann, ausschließen, dass es eine Behinderung hat.
Es war die erste Lektion, die mich mein besonderes Kind gelehrt hat: Es gibt keine Garantien. Niemals.
Es kann ein Segen sein, vorab zu wissen, ob das Kind behindert ist oder nicht.
Für mich war es ein Segen, es nicht zu wissen.
Checkliste Pränataldiagnostik
Wichtige Fragen, die du vorab für dich klären solltest:
Möchte ich überhaupt zur Pränataldiagnostik? Und wenn ja, warum?
Was will ich konkret untersuchen lassen? Zu welchem Zweck?
Würde ich ein Kind mit Behinderung austragen wollen oder nicht? Tausche dich mit deinem*r Partner*in aus: Trauen wir uns ein behindertes Kind zu? Haben wir ein Umfeld, das uns unterstützt? Käme es für uns in Frage, das Kind zur Adoption freizugeben?
Für den Fall, dass Auffälligkeiten festgestellt werden: Wie will ich reagieren? Die nächsten Untersuchungen direkt anschließen, um Gewissheit zu haben? Mich in alle Richtungen beraten lassen?
Wer wäre geeignet, mich offen zu beraten? Familie, Freundinnen, Ärztinnen? Eine Beratungsstelle? Ein Beratungsangebot für Eltern von behinderten Kindern? Wen könnte ich direkt kontaktieren?
Wie stehst du zur Pränataldiagnostik?
Testen oder nicht? Was sind deine Erfahrungen? Lass mir doch einen Kommentar da, wie du dieses Thema siehst.
Ich denke auch, dass es wichtig ist, zu wissen, welche Möglichkeiten man hat, wenn man schwanger ist. Auf diese Weise kann man sich gut auf die Ankunft des Babys vorbereiten. Ihre eigene Gesundheit und die des Babys ist natürlich das Wichtigste.
Meine Schwester sucht derzeit eine vertrauenswürdige Frauenarztpraxis. Mit ihrer letzten war sie leider nicht so zufrieden. Bei ihr soll es genau auch um die Pränataldiagnostik gehen.