Selbstfürsorge lernen – auch wenn du dafür keine Zeit hast

Beitragsbild für den Blogartikel "Selbstfürsorge lernen - auch wenn du dafür keine Zeit hast". Foto einer Kaffeetasse, die von Füßen in Wollsocken gehalten wird

Selbstfürsorge klingt einfach – kommt aber häufig zu kurz. Vor allem dann, wenn du Mutter eines Kindes bist, das besonders viel Aufmerksamkeit braucht. Hier erfährst du, wie du Selbstfürsorge neu denken und zu einer inneren Haltung machen kannst. Und wie du es schaffst, in deinem herausfordernden Alltag achtsam mit deinen Bedürfnissen umzugehen.

Ja, du weißt es natürlich. Pausen sind wichtig. Zwischendurch immer wieder für Erholung sorgen. Bestimmt nimmst du es dir regelmäßig vor. Aber dann ist ständig etwas anderes. Und plötzlich ist Abend, du bist total erledigt und hattest mal wieder keinen Moment für dich.

Damit bist du nicht allein. Der Alltag mit einem neurodivergenten Kind ist voller Termine, Aufgaben und Herausforderungen. Oft fehlt es an Ideen, wie sich Selbstfürsorge inmitten von Trubel und Hektik unterbringen lässt.

Selbstfürsorge – wann soll ich das bitte noch machen? Kommt dir dieser Gedanke bekannt vor?

Warum es nicht deine Schuld ist, wenn Selbstfürsorge scheitert

In sozialen Netzwerken siehst du, dass es ganz leicht ist: eine Kerze anzünden, sich mit dem heißen Milchkaffee in die Flauschdecke kuscheln. Ein heißes Bad nehmen und Entspannungsmusik hören. Mit einer guten Freundin quatschen. Selfcare ist doch gar nicht schwer.

Nur was ist, wenn der Kaffee keine Erholung schenkt, weil du parallel dein Kind mit Behinderung beaufsichtigst? Wenn du dreimal aus der Badewanne steigen musst, weil schon wieder was ist? Und die Freundin dir zwar zuhört, aber doch nicht richtig versteht, weil sie deine Situation nicht teilt?

Bist du dann selbst schuld, wenn du weiterhin erschöpft und verausgabt bist? Du weißt doch schließlich, wie es geht. 

Das ist fatal und besonders gefährlich für Menschen, die ein erhöhtes Risiko tragen auszubrennen: Pflegende, Mütter, pflegende Mütter.

»Selbstfürsorge beginnt, wenn du aufhörst, dich zu optimieren – und anfängst, dir selbst eine gute Freundin zu sein.«

Selbstfürsorge oder Selbstoptimierung?

In unserer leistungsbetonten Gesellschaft wird Selbstfürsorge häufig verwechselt mit Selbstoptimierung: mit kurzfristigen Maßnahmen dafür sorgen, leistungsfähig und belastbar zu bleiben. Funktionstüchtig.

Wir bemühen Maschinenmetaphern, um menschliche Grundbedürfnisse zu beschreiben: “wieder auftanken”, “den Akku nachladen”.

Und so fangen wir an, unsere Trinkmenge zu tracken, Me-Time in den Kalender einzutragen und dort zu vergessen. Und erreichen mit alldem, wenn es ganz blöd läuft, eins: dass wir doch ausbrennen. Obwohl wir uns so sehr angestrengt haben, es zu vermeiden.

Foto einer Frau, die zurückgelehnt aus ihrer Kaffeetasse trinkt.

Selbstfürsorge, die wirkt. Ganz ohne Druck

Wann wird Selbstfürsorge zur Stressquelle?

Wenn du dich unter Druck setzt, weil du auch hier Leistung zeigen willst. Mehr bewegen, gesünder essen, früher schlafen gehen! 

Überhaupt: diese Bewertung. Das ständige Überprüfen, Vergleichen mit anderen, Be- und verurteilen. Wenn du dauernd mit der Frage im Hinterkopf herumläufst, ob du auch gut genug warst, steht die Antwort längst fest.

Was kannst du also tun, um so achtsam mit deinen körperlichen, mentalen und emotionalen Ressourcen umzugehen, dass du noch lange etwas von ihnen hast?

Die innere Haltung zählt!

Das Ziel sollte sein, nicht nur Pflaster auf Symptome zu kleben (die Tasse Kaffee gegen den Schlafmangel), sondern Selbstfürsorge zu einer inneren Haltung zu machen.

Denn dann steigen die Chancen, dass du sie zwischen Terminen und To dos nicht vergisst.

Hier fünf Impulse, wie du es angehen kannst.

»Selbstfürsorge ist keine Frage von Zeit, sondern eine Frage der inneren Haltung sich selbst gegenüber.«

Sei dir selbst eine Freundin

Wirksame Selbstfürsorge ist Ausdruck einer wertschätzenden, achtsamen und liebevollen Beziehung zu dir selbst

Sei großzügig, verzeihe dir Schwächen und grübele nicht ewig über Fehler nach. Nimm deine vermeintlichen Makel nicht so ernst und höre auf, dich für Kleinigkeiten zu kritisieren

Du ärgerst dich darüber, dass deine besondere Belastung als Mutter von anderen oft nicht gesehen oder heruntergespielt wird? Dann schenke dir selbst die Anerkennung, die du dir wünschst und verdient hast.

Care-Arbeit wird in unserer Gesellschaft viel zu gering geschätzt. Durchbrich dieses Denken, indem du dir selbst vor Augen führst, wie unendlich wertvoll es ist, was du jeden Tag leistest

Denn dann ist auch sonnenklar, dass es notwendig ist, für diese Arbeit genügend Kraft und Energie zu haben.

Die Energieskala - dein praktisches Alltagstool

“Wie geht es mir eigentlich gerade?” Hast du dir diese Frage zwischen Arztterminen und Hausaufgabenstress schon mal gestellt?

Nein? Das wundert mich nicht. Denn im Alltag bist du mit deinen Gedanken überall gleichzeitig – nur nicht bei dir.

Die Energieskala hilft dir, das zu ändern. Stelle sie dir wie eine Ampel vor, mit einem roten, gelben und grünen Bereich. Hast du das Gefühl, die Kraft reicht für das, was du gerade tust, steht die Ampel auf Grün. Merkst du, dass du Reserven mobilisieren musst, bist du im gelben Bereich. Und fühlst du dich zu kraftlos, um dich aufzuraffen (auch wenn du es dann trotzdem tust), ist Alarmstufe Rot.

Foto einer Frau, die in der Natur sitzt und mit geschlossenen Augen meditiert

So nutzt du die Energieskala:

  • Gewöhne dir an, zwischendurch immer wieder kurz innezuhalten und einzuschätzen, wo auf der Energieskala du gerade stehst.
  • Beobachte dich den Tag über – wann hast du mehr Energie, wann besonders wenig?

Mithilfe der Energieskala Erschöpfung vermeiden:

  • Grün: Mache einfach weiter, überlege dir aber einen Zeitpunkt für den nächsten Energie-Check.
  • Gelb: Versuche, langsamer zu machen und nimm dir eine Mini-Auszeit, um bewusst mit deiner Aufmerksamkeit durch deinen Körper zu wandern.
  • Rot: Es ist Zeit für eine Pause. Wenn es nicht sofort geht, dann schnellstmöglich. Dein Körper braucht Erholung.

Das Ziel der Energieskala sollte übrigens sein, dass du gar nicht erst im roten Bereich landest. Sondern bereits bei Grün oder spätestens Gelb Erschöpfung abwendest.

So denkst du Selbstfürsorge neu

Wenn du bislang damit gescheitert bist, in deinem vollen Alltag Zeit für Selbstfürsorge zu finden, dann hast du wahrscheinlich zu lange versucht, Pflaster auf Symptome zu kleben.

Viel nachhaltiger ist es, wenn du deinen Fokus darauf richtest, deine Selbstwirksamkeit zu stärken.

Selbstwirksamkeit bedeutet, regelmäßig die Erfahrung zu machen, mit deinen Entscheidungen und deinem Handeln gewünschte Ergebnisse zu erzielen.

Sie hilft dir, auf neue Ideen zu kommen, um deine Herausforderungen zu lösen. Dir inmitten der Umstände, mit denen du es zu tun hast, das Leben aufzubauen, in dem du zufrieden wirst. Und auch das: genau zu wissen, was du brauchst.

»Wirksame Selbstfürsorge bedeutet nicht, Pflaster auf Symptome zu kleben, sondern wirklich zu wissen, was du brauchst.«

Finde heraus, was den Unterschied macht!

Wie wirst du im Alltag selbstwirksam? Du weißt wahrscheinlich ganz genau, was bei dir Stress auslöst. Zu viele Aufgaben, zu wenig Unterstützung, schwierige Verhaltensweisen deines Kindes?

Aber weißt du auch, was du tun kannst, um deine Baustellen zu beheben? Um das herauszufinden, stelle dir folgende Fragen:

  • Wann fühlst du dich weniger erschöpft
  • In welchen Momenten hast du das Gefühl, dass du regenerierst, wieder neue Energie bekommst? 
  • Was ist dann anders? Und wie kannst du das auf andere Alltagssituationen übertragen
  • Welche kleinen Veränderungen in deinen täglichen Abläufen würden dazu beitragen, dass du diesen positiven Effekt häufiger spürst?

Nutze das, was bereits gut läuft und mache es zur Blaupause für schwierige Alltagssituationen.

Zurück zu dir: deine persönlichen Kraftquellen

Was sind Kraftquellen? Es sind kleine und größere Dinge, die dich dabei unterstützen, dich vom Stress des Alltags abzugrenzen, Distanz zwischen dir und deiner Umgebung zu schaffen und wieder bei dir anzukommen

Um kurze oder auch etwas längere Pausen zwischendurch zum Erholen zu nutzen, lege dir eine Liste an Kraftquellen an …

  • für 5 Minuten (oder weniger): Ein Foto deines Kindes ansehen, eine Erinnerung an einen schönen Moment, eine kleine Atem- oder Achtsamkeitsübung, eine Affirmation, die du in Gedanken sprichst, um dich zu stärken …
  • für 20-30 Minuten: Ein Powernap, eine Meditation oder Entspannungsübung, in einem Buch oder Magazin lesen (nicht der Instagram-Feed!), um auf neue Gedanken zu kommen …
  • für 1 Stunde und länger: Raus in die Natur gehen, mit einer vertrauen Person telefonieren, ein kreatives Hobby, Tagebuch schreiben
Foto eines Feldweges, auf dem eine Person spazierengeht

Selbstfürsorge lässt sich planen

Das waren fünf Anregungen, wie du ohne Leistungs- oder Zeitdruck kleine Akte der Selbstfürsorge in dein Leben integrieren kannst.

Ich habe oben die Selbstwirksamkeit angesprochen. Dafür noch ein kleiner Zusatztipp: Nimm dir morgens ein paar Minuten, um deinen Tag zu planen und ungefähr die Zeiträume für Arbeit, Termine und geplante Aufgaben zu markieren. Dann siehst du, wo zwischendurch winzige oder auch etwas größere freie Zeiten liegen.

Nimm dir vor, diese Momente ganz für dich zu nutzen – du hast ja die Liste mit deinen Kraftquellen. 

Allein schon diese Erholungsmöglichkeiten schriftlich festzuhalten, schenkt dir die Gewissheit, dass du gut für dich sorgst.

Fazit

  • Selbstfürsorge ist wichtig – gerade für Mütter neurodivergenter Kinder. Richte deinen Fokus dabei auf deine Selbstwirksamkeit und vermeide es, dich selbst zu optimieren, um belastbar und leistungsfähig zu bleiben.
  • Die innere Haltung ist entscheidend: Achtsamkeit, Selbstfreundschaft und die Fähigkeit, dir selbst die Wertschätzung zu schenken, die du verdienst.
  • Es gibt viele unterschiedliche Möglichkeiten, um im Alltag gut für dich zu sorgen – von der Energieskala über Entspannungstechniken bis hin zu deinen persönlichen Kraftquellen. Finde heraus, was dein Wohlbefinden stärkt.

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Coaching für Mamas besonderer Kinder

Über die Autorin

Ich bin Alexandra, Mutter von Zwillingen – eins meiner Kinder hat das Down-Syndrom. Meine Mission ist es, Mütter von Kindern mit Besonderheit auf ihrem Weg zur Resilienz zu unterstützen. Damit sie die Kraft und Ausdauer haben, die es braucht, um Berührungsängste abzubauen und ihren Kindern einen Platz in der Mitte der Gesellschaft zu erobern. >> Mehr über mich

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