Kinder mit einer geistigen oder einer Lernbehinderung versuchen mitunter, durch Vermeidungsstrategien anstrengende Kopfarbeit zu umgehen. Gemeinsames Lernen kann dadurch viel Kraft kosten. Die IntraActPlus-Methode ermöglicht es Kindern unabhängig von ihrer Begabung, in ihrem individuellen Tempo Fortschritte zu erzielen. Mein Sohn hat durch IntraActPlus gelernt, erste Silben zu lesen und im Zahlenraum bis fünf zu zählen. In diesem Artikel erkläre ich die Methode, ihre Anwendung und erzähle von unseren Erfahrungen.
Die Abbildungen der Arbeitsmaterialien erfolgt mit freundlicher Genehmigung der IntraActPlus GbR.
Bei diesem Artikel handelt es sich nicht um bezahlte Werbung, sondern um eine Empfehlung aus Überzeugung.
„Welcher Buchstabe ist das?“, frage ich nun schon zum dritten Mal und zeige auf das A.
Mein Sohn setzt seinen lustigen Gesichtsausdruck auf.
„M“, ruft er und gluckst begeistert über seinen Einfall.
Ich gehe nicht darauf ein, sondern sage: „Welcher Buchstabe ist das?“
Sofort ruft er wieder: „M!“
Erneut fröhliches Lachen. Er fügt eine Lautgebärde hinzu, um diesen Spaß zu unterstreichen.
So oder so ähnlich läuft es häufig bei uns ab, wenn ich mit meinem achtjährigen Sohn mit Down Syndrom Hausaufgaben mache oder für die Schule übe.
Durch Grimassen und Späße versucht er, die Anstrengung zu vermeiden. Nur wenn ich ihn mit echten Anreizen motiviere, ist er bereit mitzuarbeiten.
Jedes Kind kann lernen – in seinem Tempo
Es gab Zeiten, da fiel es mir schwer, dafür die notwendige Geduld aufzubringen. Ich konnte wenig Fortschritte erkennen und war skeptisch, ob es je passieren wird: dass mein Sohn die Grundlagen des Lesens, Zählens, Schreibens lernt.
Seine Lehrerin empfahl mir in der ersten Klasse, es zu Hause begleitend mit der IntraActPlus-Methode zu versuchen. Sie beruht auf einem verhaltenstherapeutischen Ansatz, den die beiden Psycholog*innen Dr. Fritz Jansen und Uta Streit entwickelt haben, um allen Kindern, gerade aber auch Kindern mit Lernstörungen oder Verhaltensschwierigkeiten beim Lernen zu helfen.
Einzelne Lernschritte sind bei IntraActPlus so heruntergebrochen, dass jedes Kind Fortschritte erzielt – in seinem individuellen Tempo. Das motiviert Kinder und Eltern gleichermaßen.
Wie Kinder das Lernen lernen
Kinder lernen dann erfolgreich und nachhaltig, wenn sie neue Inhalte so lange wiederholen, bis sie im Langzeitgedächtnis abgespeichert sind und die Kinder sie jederzeit und mühelos abrufen können.
Für dieses notwendige Verinnerlichen fehlt im normalen Schulalltag häufig die Zeit. Was dazu führt, dass viele Kinder Schwierigkeiten mit neuen Lerninhalten haben, weil die Grundlagen nicht ausreichend gefestigt wurden.
Neuer Stoff, der während des Unterrichts vermittelt wird, landet zunächst im Kurzzeitgedächtnis. Von dort kann er zwar auch erinnert und angewendet werden, jedoch hat das Kurzzeitgedächtnis ein stark begrenztes Fassungsvermögen und kann nur wenige Inhalte gleichzeitig speichern. Kommen neue hinzu, werden alte überschrieben – also einfach wieder aus unserem Kopf gelöscht.
Effektives Lernen bedeutet daher, Inhalte vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis zu überführen. Das Ziel ist also, neuen Lernstoff so oft zu wiederholen, bis er sicher im Langzeitgedächtnis abgelegt ist.
Soweit die Theorie.
Lesen lernen mit einem besonderen Kind
Da mein Sohn von Anfang an starkes Interesse an Büchern hatte, war es mir ein besonderes Anliegen, mit ihm das Lesen zu üben. Zwar konnte er sich die Buchstaben, die er in der Schule gelernt hat, gut merken, das Lerntempo dort überforderte ihn jedoch.
Mit der Loseblattsammlung Lesen und Rechtschreiben lernen konnten wir die Buchstaben in seinem Tempo wiederholen und festigen.
Die Arbeitsmaterialien vermitteln zunächst ausschließlich die Großbuchstaben – und zwar nicht in der Reihenfolge des Alphabets, sondern so, dass neue Buchstaben sich optisch und phonetisch von den bisher gelernten möglichst unterscheiden.
Jeder Buchstabe wird auf einem eigenen Lernblatt vermittelt. Auf diesen Lernblättern wechseln sich Buchstabe und Felder in verschiedenen Farben ab. Das Kind legt eine Schablone auf das Blatt, die jeweils den Buchstaben oder aber das farbige Feld sichtbar macht und „liest“ den Inhalt vor: A, Blau, A, A, Rot und so weiter. Die Farben dienen dazu, den Lerninhalt A vom Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis zu übertragen.
Mein Sohn ist, wie viele andere Kinder mit Trisomie 21, sehr stark in der visuellen Wahrnehmung.
So kam er mit dem ersten Lernblatt sehr gut zurecht. Nach wenigen Wiederholungen hatte er das A gelernt und konnte es sicher lesen.
Je nach Fähigkeit des Kindes variiert das Tempo und damit der Schwierigkeitsgrad. Kindern ohne geistige Einschränkung reichen wenige Durchgänge pro Blatt, andere benötigen mehr Wiederholungen. Auf diese Weise ist IntraActPlus für Kinder mit unterschiedlichen Begabungen geeignet.
Silben lesen lernen
Auch die nächsten Buchstaben lernte mein Sohn schnell und mit wenigen Wiederholungen. Dabei fiel mir auf, dass sein Vermeidungsverhalten nachließ. Vermutlich merkte er, dass das Arbeiten ihn nicht überforderte und so war er auf einmal mit Motivation bei der Sache.
Das Zusammenziehen einzelner Buchstaben zu Silben stellte für ihn eine größere Schwierigkeit dar. Auch hierfür gibt es bei IntraActPlus Lernblätter, die diese Fähigkeit vermitteln. Dort wechseln sich ebenfalls Silben und Felder in verschiedenen Farben ab.
Dieser Schritt hat mehr Zeit in Anspruch genommen und es waren viele Wiederholungen notwendig, bis es meinem Sohn schließlich gelang, die ersten beiden Silben „MA“ und „AM“ zu lesen.
Von Silben zu Wörtern zu Texten
Nach Großbuchstaben und ersten Silben lernen die Kinder mit der IntraActPlus-Methode, ganze Wörter zu lesen. Schließlich folgen die Kleinbuchstaben nach demselben Prinzip und am Ende ganze Texte.
Das Ziel der Methode ist, dass die Kinder längere Abschnitte lesen und gelesene Inhalte verstehen.
Da mein Sohn mit Down Syndrom noch lange nicht soweit ist und mein anderes Kind so sicher liest, dass wir nicht mehr mit dieser Methode üben, kann ich hier (noch) nicht aus eigener Erfahrung berichten.
Feinmotorik und Schreiben: So klappt es bei besonderen Kindern
In der Schule wurde früh verlangt, dass die Kinder ganze Buchstaben schreiben – für meinen Sohn mit Down Syndrom kam dieser Schritt eindeutig zu schnell. Zu unsicher war er noch in der Feinmotorik und zu sehr überfordert davon, Geraden und Kreise oder gar geometrische Formen zu zeichnen.
IntraActPlus bricht auch das Schreiben in kleine Teilschritte herunter. Auf eigenen Schreiblernblättern üben die Kinder zunächst Schrägen und vertikale sowie horizontale Geraden zu zeichnen – jeweils in so vielen Wiederholungen wie eben nötig.
Mich hat dieses Vorgehen an meine eigene Schulzeit erinnert, in der wir viel Zeit für Schwungübungen aufwendeten, bevor wir schließlich richtige Buchstaben schrieben.
Nach und nach lernen die Kinder, die einzelnen Linien zu Buchstaben zusammenzusetzen. Die ersten gelingen uns schon ganz gut – M, N, L und kürzlich das Z waren recht klar erkennbar.
Schluss mit dem Fehlerteufel: Wie Kinder sicher Rechtschreiben lernen
Rechtschreibung ist für meinen Sohn mit Down Syndrom zwar noch kein Thema, aber mit meinem anderen Kind, das keine Behinderung hat, übe ich regelmäßig. Auch hier wenden wir die IntraActPlus-Methode an.
Warum ist es so wichtig, von Anfang an auf die richtige Schreibweise zu achten? Kinder speichern nicht nur die korrekten Inhalte ab, sondern auch Fehler. Wenn sie also – wie es häufig in der Schule der Fall ist – Wörter zunächst nach Gehör schreiben dürfen, verlangsamt sich dadurch das Lernen insgesamt. Einmal gespeicherte Schreibweisen müssen durch neue ersetzt werden. Das kostet Zeit und schafft unnötig Frustration.
Die Rechtschreibung wird bei IntraActPlus anhand von Wortkarten und Diktaten geübt. Die Kinder prägen sich die auf den Wortkarten dargestellte richtige Schreibweise ein, dann rufen sie sie im Diktat ab.
Wörter, die noch nicht richtig geschrieben werden, werden so lange wiederholt, bis die richtige Schreibweise sicher gespeichert ist.
Vertiefende Hintergrundinformationen zum Lesen lernen mit IntraActPlus findest du auf der Website des Anbieters.
Nie mehr Angst vor Mathe: So entdecken besondere Kinder die Welt der Zahlen
Zählen war für meinen Sohn mit Down Syndrom die größte Herausforderung. Sein erster Kontakt zum Zahlenraum bis fünf fiel ausgerechnet in die Zeit des Homeschoolings, nicht eben eine günstige Voraussetzung.
Entsprechend schwer tat er sich damit, Würfelaugen, Bohnen und Spielzeugautos zu zählen, während die Klassenkamerad*innen bereits mit den ersten Rechenaufgaben begannen.
Mathe lernen vermittelt in bewährten kleinen Schritten den Schulstoff der ersten beiden Klassen. Die Loseblattsammlung beginnt mit dem Zählen bis zehn – zunächst werden geordnete Punkte gezählt, danach ungeordnete und schließlich abgebildete Gegenstände.
Erst dann werden die Ziffern vermittelt und es folgen der Schwierigkeit nach gestaffelte Rechenaufgaben im Zahlenraum bis zehn und schließlich bis zwanzig.
Weitere Lerninhalte sind das Unterscheiden nach dem Größer-/Kleiner-Prinzip, das Verdoppeln und Halbieren von Zahlen und schließlich das grundlegende Rechnen mit Geld.
Es gibt weiterführende Lernmaterialien zum Beispiel zum Multiplizieren und Dividieren oder zum kleinen Einmaleins. Letzteres übe ich derzeit mit meinem anderen Kind – mit Erfolg und wachsender Motivation.
Die Grundlagen des Lernens mit IntraActPlus
Fehler sollten angesprochen werden (weil sie sonst gespeichert werden), aber positiv und wohlwollend. Das Kind sollte immer spüren, dass es auch angenommen wird, wenn es Fehler macht.
Richtig loben: Die Bereitschaft, sich anzustrengen und Mühe zu geben ist wichtiger als ein richtiges Ergebnis. Also sollten Kinder dafür gelobt werden, wenn sie eine konzentrierte Arbeitshaltung einnehmen, sich nicht ablenken lassen, motiviert an die Aufgaben herangehen – und nicht, wenn das Ergebnis stimmt.
Was tun, wenn das Kind nicht mitmachen will? Hier helfen Belohnungen (zum Beispiel zwanzig Minuten Bildschirmzeit nach Erledigen der Aufgaben) oder auch Konsequenzen (keine Bildschirmzeit), wenn das Kind sich weiterhin verweigert.
Positives Selbstbild: Erfolg hat nur, wer an sich glaubt – das Kind also immer wieder darauf aufmerksam machen, dass Fehler dazugehören und kein Grund sind, negativ über sich selbst zu denken. Dieser Punkt ist besonders wichtig, um Kinder vor dem allgegenwärtigen Leistungsdruck zu schützen.
Fazit: Unsere Erfahrungen mit der IntraActPlus-Methode
Wir nutzen diese Methode seit zwei Jahren und üben beinahe täglich damit – mit beiden Kindern, die in ganz unterschiedlichem Tempo lernen.
IntraActPlus bei Kindern ohne Lernstörungen
Anfangs hat es mein Kind Überwindung gekostet, sich auf die Arbeitsmaterialien einzulassen, denn anders als die mit vielen bunten Bildern gestalteten Schulbücher kommen die Übungsblätter hier aus Sicht eines Kindes eher nüchtern daher.
Aber genau ist beabsichtigt: Denn ohne ablenkende Bilder und Illustrationen tun sich die Kinder leichter, die eigentlichen Lerninhalte zu verstehen und sicher zu verinnerlichen.
Im Vergleich zu attraktiven Lernapps wie Anton erforderte das anfangs Erklärung und Diskussion und klappte erst, als wir uns darauf geeinigt hatten, dass es für zwanzig Minuten Lernen zwanzig Minuten Bildschirmzeit gibt. Dann aber wurde mein Kind zunehmend neugierig auf diese Methode. Es war zum Teil überrascht, dass es vermeintlich „babyeinfache“ Wörter doch noch nicht ganz korrekt schreiben konnte – und motiviert, es zu lernen, was mit wenigen Wiederholungen gut geklappt hat.
Apropos Wiederholungen: Die Fähigkeiten eines Kindes bestimmen, in welchem Tempo es die Inhalte lernt. Während mein Kind ohne Behinderung die einzelnen Schritte zügig absolviert, benötigt mein Sohn mit Down Syndrom meist viele Wiederholungen, wodurch das Lernen insgesamt deutlich langsamer vorangeht.
IntraActPlus mit besonderem Kind
Um meinen Sohn nicht zu überfordern, haben wir uns anfangs ausschließlich auf das Lesen und begleitend aufs Schreiben konzentriert. Hier liegen eher seine Stärken als im Bereich der Zahlen.
Ich bin verblüfft, wie gut mein Sohn Fortschritte macht. Das Zusammenziehen von Buchstaben zu Silben hat eine Weile gedauert, aber schließlich geklappt. Mein Kind macht mit – und fordert mittlerweile sogar seine Lerneinheiten aktiv ein. Vermutlich liegt es daran, dass er weiß, dass das der Weg zur Bildschirmzeit ist. Vielleicht liegt es aber auch ein bisschen daran, dass er spürt, dass er hier nicht überfordert wird und die Aufgaben nicht in Frustration enden.
Wir feiern jeden richtigen Buchstaben, jede richtige Silbe, jedes richtige Wort und mein Sohn bejubelt sich selbst ausgiebig (und ich ihn natürlich auch). Das fördert ganz klar seine positive Einstellung zum Lernen und das wiederum hat Auswirkungen auf seine Fortschritte.
Ich bin absolut überzeugt vom IntraActPlus-Konzept und kann es gerade Eltern von Kindern mit geistiger Behinderung, aber auch von Kindern mit Legasthenie, Dyslexie, ADHS und anderen verhaltensbedingten Lernstörungen wärmstens empfehlen.
Mit IntraActPlus lernt jedes Kind in seinem Tempo – und feiert dabei Lernerfolge.
Und hier noch ein Lesetipp:
Erfolgreich erziehen erläutert sehr anschaulich die Grundlagen von IntraActPlus und ist darüber hinaus für viele Themen und Situationen des Alltags mit Kindern ein wertvoller Begleiter.
Deine Meinung ist gefragt
Möchtest du bei Hand und Seele über weitere Sprachförderansätze wie Lautgebärden etc. informiert werden? Wenn ja, lass mir gerne einen Kommentar da – auch über Anregungen freue ich mich sehr!