Warum besondere Kinder Rituale brauchen

Kinder lieben verlässliche, immer wiederkehrende Abläufe. Sie fordern Rituale geradezu ein. Und tatsächlich können wir über Rituale viel vermitteln: ein Gefühl für Zeiträume, den Umgang mit schwierigen Gefühlen, Selbstwirksamkeit und Selbstvertrauen und ein tiefes Zusammengehörigkeitsgefühl in der eigenen Familie. Warum Rituale gerade für besondere Kinder wichtig sind, erfährst du hier.

Rituale sind Abläufe und Handlungen, die immer wiederkehren und regelmäßig wiederholt werden. Hinter jedem Ritual steckt ein Sinn, eine konkrete Idee, denn Rituale werden bewusst gewählt und durchgeführt. Und so stärken sie unsere Wahrnehmung, unsere Achtsamkeit, sie entschleunigen und lassen uns innehalten, um das Wesentliche nicht aus den Augen zu verlieren.

Kinder lieben Rituale. Ja, sie fordern geradezu ein, dass Dinge immer gleich ablaufen, sich wieder und wieder in gewohnter Weise abspielen. Sie profitieren von Ritualen in ihrem Leben – in Kindergarten und Schule wie zu Hause in der Familie. Deshalb sind Rituale eine wunderbare Möglichkeit, die Entwicklung unserer Kinder zu fördern.

So werden Kinder mit der Welt vertraut

Der wiederkehrende Rhythmus, die Verlässlichkeit der Handlungen und Abläufe geben Kindern Halt und Orientierung. Und verleihen ihnen ein Gefühl der Sicherheit. Wer weiß, wie sich das eine zum anderen fügt und was als nächstes zu erwarten ist, der kann sich aktiv beteiligen, ins Geschehen eingreifen, daran teilhaben.

Rituale stärken so die Selbstwirksamkeit und auch das Selbstbewusstsein von Kindern. Das ist gerade bei besonderen Kindern wichtig. Denn sie brauchen oft länger, um sich in der komplizierten Welt zurechtzufinden. Vieles, was sie im Alltag umgibt, ist für sie unverständlich. Sie fühlen sich wie Spielbälle, die mal hierhin, mal dorthin gebracht werden, ohne die Dinge steuern zu können.

Durch Rituale entwickeln sie einen Sinn für die Zusammenhänge und spüren ihren eigenen Einflussbereich.

Besondere Kinder und das Zeitgefühl

Bevor Kinder die Uhr lesen können, haben sie noch kein wirkliches Gespür für Zeit. Wie lang dauert eine Viertelstunde? Und wann ist endlich Weihnachten? Besondere Kinder tun sich noch schwerer damit, Zeitabläufe zu verinnerlichen. Sie leben ganz im Hier und Jetzt und können häufig kaum verstehen, was „gleich“ oder „später“ bedeutet.

Auch hier sind Rituale eine wunderbare Möglichkeit, zeitliche Strukturen zu vermitteln. Der tägliche Morgenkreis in Kindergarten und Schule verortet sie klar in einer bestimmten Tageszeit. Dasselbe gilt für Einschlafrituale, für Rituale rund ums Anziehen und Zähne putzen, für den Tischspruch zum Mittagessen usw.

Die kleinen Anker im täglichen Ablauf lassen sie nach und nach Tagesrhythmen erkennen und verstehen, was wann ansteht.

Übergänge mit Ritualen begleiten

Ein schwieriges Thema für beinahe alle Kinder sind Übergänge. Die kleinen alltäglichen sowie die großen, bedeutsamen im Leben. Die meisten Konflikte ergeben sich, wenn wir vom Spielplatz aufbrechen, die Kinder abends fürs Bett fertig machen oder morgens unter Zeitdruck das Haus verlassen wollen.

Auch hier sind Rituale Gold wert. Sie bereiten Kinder vor auf den nächsten Schritt, der nun ansteht. Eine Anziehstraße ersetzt die zehnfach wiederholte Aufforderung, nun endlich den Schlafanzug abzulegen. Täglich wiederkehrende Abläufe wie Vorlesen, Gute-Nacht-Lied singen und den Tag verabschieden, lassen Kinder zur Ruhe kommen und den Übergang in den Schlaf finden.

Rituale schaffen Nähe und Verbindung. Sie implizieren ein Verständnis dafür, dass der Wechsel von einer Situation in die nächste für Kinder nicht leicht ist. Und sie bauen eine Brücke, die das Ganze konfliktfrei gestaltet.

Rituale zur Gefühlsregulierung

Die meisten Kinder tun sich schwer, mit negativen Gefühlen wie Wut, Ärger, Angst oder Trauer umzugehen. Gerade besondere Kinder fühlen sich ihnen oft hilflos ausgeliefert wie ein Grashalm im Unwetter.

Auch hier helfen Rituale: Sie bringen Kinder in Kontakt mit ihren Emotionen und vermitteln ihnen, dass alle Gefühle richtig und erwünscht sind. Und sie zeigen ihnen Wege, sie zu kanalisieren und zu steuern.

Von den Sorgenpüppchen, über Heile, heile Gänschen bis zur Wutschlange: Rituale können rettende Anker sein im Strudel unangenehmer Gefühle. Sie machen sichtbar und im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar, was in Kindern vorgeht und helfen, das Unwetter zu vertreiben.

Wie Rituale die Beziehung stärken

Nicht zuletzt schaffen Rituale eine enge Bindung zwischen Eltern und Kindern. Die immer wiederkehrenden Handlungen und Abläufe schenken ein Gefühl der Verlässlichkeit, der Stabilität, des Vertrauens.

Gerade wenn es um Rituale in der Familie geht, wollen Kinder mitentscheiden und mitbestimmen. Und so bietet sich hier die Chance, gemeinsam Ideen zu entwickeln, um das Familienleben bewusster, harmonischer und inniger zu gestalten.

So schaffen wir gemeinsame Erinnerungen, die uns prägen und uns ein Leben lang bleiben. Und vielleicht nehmen unsere Kinder etwas davon mit, was sie später in ihren eigenen Familien übernehmen und an ihre Kinder weitergeben.

Wie wir mit Ritualen ausdrücken, was uns wichtig ist

Wir Eltern wollen unseren Kindern ein stabiles Wertegerüst an die Hand geben, an dem sie ihr Leben, ihr Handeln ausrichten können. Einen inneren Kompass, der sie sicher leitet und ihnen weiterhilft, wenn es schwierig wird.

Häufig sind Werte für Kinder aber noch sehr abstrakt. Natürlich können sie verstehen, dass sie niemanden schlagen dürfen. Aber wenn man versucht, einem Fünfjährigen zu erklären, warum Gemeinschaft etwas Wunderbares ist, stößt man schon mal an Grenzen (vor allem, weil Gemeinschaft in den Augen der Kinder meistens mit nervigen Regeln verbunden ist).

Mit Ritualen machen wir unsere Werte für unsere Kinder erlebbar. So bleiben sie nicht abstrakt, sondern werden zu konkreten Erfahrungen. Angefangen beim Tischspruch vor der gemeinsamen Mahlzeit bis hin zum immer wiederkehrenden Ablauf des Weihnachtsabends oder des Geburtstagsfrühstücks: Rituale lassen Kinder mit allen Sinnen wahrnehmen, wie viel Kraft in Gemeinsamkeit, in der Verbindung zu anderen steckt.

Und auch dafür eignen sich Rituale: zum Grenzen setzen und anderen vermitteln, was man persönlich braucht, um sich wohlzufühlen. Das kann das Kuscheln am Abend sein oder auch eine ungestörte Spieleinheit im Kinderzimmer, um entspannt in den Tag zu finden. Hier sollten wir unsere Kinder ermutigen, ihre eigenen Rituale zu entdecken. Und selbst ebenfalls kreativ werden, um unsere eigenen Bedürfnisse zu wahren.

Sorge gut für dich – dann sorgst du gut für dein Kind!

Rituale von früher und heute

Ich erinnere mich sehr deutlich an Rituale aus meiner Kindheit – sei es der Weihnachtsabend oder die Fahrt in den Urlaub. Und noch heute trage ich die damit verbunden Gefühle in mir. Welche Erfahrungen hast du mit Ritualen gemacht? Und wie setzt ihr sie in eurer Familie ein? Ich würde mich freuen, wenn du mir dazu einen Kommentar dalässt.

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