Frühes Lesen

Frühes Lesen richtet sich an Kinder mit verzögerter Sprachentwicklung. Ziel ist es, Schritt für Schritt das Sprachverständnis und die Artikulation zu verbessern – und die ersten Lesefähigkeiten zu trainieren. Das Konzept wird von vielen Logopäd*innen und Therapeut*innen angewendet, es kann aber auch ohne viel Aufwand zu Hause geübt werden. Alles, was du wissen musst, um mit deinem Kind das Frühe Lesen auszuprobieren, findest du in diesem Beitrag.

Frühes Lesen beginnt bei Bildkarten und geht bis zu Wortkarten
Frühes Lesen: Von Bildkarten zu den Wortkarten

Mein Sohn mit Down Syndrom war noch ein Baby, als ich zum ersten Mal vom Frühen Lesen hörte. Von den verblüffenden Fortschritten, die Kinder machten, die mit dieser Methode gefördert wurden.

Viele dieser Kinder artikulierten sehr früh sehr klar und taten sich deutlich leichter mit dem Sprechen lernen. Und manche von ihnen profitierten sogar später noch davon, als sie mit dem tatsächlichen Lesen lernen begannen.

Das wollte ich unbedingt auch mit meinem Sohn ausprobieren und ich nahm mir fest vor, mit ihm das Frühe Lesen zu üben, sobald er dazu bereit war.

Seitdem sind fast vier Jahre vergangen, in denen wir intensiv geübt haben. Mein Kind hat große sprachliche Fortschritte gemacht, die ich auch aufs Frühe Lesen zurückführe. Und tatsächlich fällt es ihm nun, da er in die Schule geht, verhältnismäßig leicht, Silben zu lesen.

Wann ist das richtige Alter, um mit dem Frühen Lesen zu beginnen?

Das Frühförderprogramm „Kleine Schritte“ geht davon aus, dass Kinder im Alter ab 3,5 Jahren mit dem Frühen Lesen beginnen können. Jedoch sind die Entwicklungsunterschiede zwischen Kindern mit Down Syndrom bekanntlich größer als bei „gesunden“ Kindern.

Wir haben erst mit dem Frühen Lesen begonnen, als mein Sohn fünf Jahre alt war. Ich selbst habe Altersangaben oft als entmutigend empfunden und gute Erfahrungen damit gemacht, einfach dranzubleiben und es immer mal wieder zu versuchen, bis es dann wirklich soweit war.

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Was genau ist Frühes Lesen?

Beim Frühen Lesen geht es ums Sprechen, nicht ums Lesen. Ziel der Methode ist es, Kindern mit einer verzögerten Sprachentwicklung zu einer klareren Artikulation und zu einem soliden Wortschatz zu verhelfen.

Kinder mit Down Syndrom lernen sehr stark über das Visuelle, deshalb eignet sich die Methode des Frühen Lesens für sie besonders gut. Die Kinder prägen sich das geschriebene Wort ein wie ein Bild und können es „lesen“ bzw. wiedererkennen, wenn sie es sehen und üben, es auszusprechen.

Ich habe das Frühe Lesen mit meinem Sohn unter Anleitung unserer Logopädin begonnen, dann aber selbstständig nach dem Frühförderprogramm „Kleine Schritte“ (Heft 9) zu Hause mit ihm geübt.

Die Ausstattung: Was du brauchst, um Frühes Lesen daheim zu üben

Das Gute an der Methode ist: Du musst keine teuren Materialien anschaffen. Das, was du brauchst, habt ihr wahrscheinlich ohnehin zu Hause.

Für den Beginn benötigst du ein Memory- oder Lottospiel – also Karten mit Bildmotiven, die jeweils doppelt vorkommen. Wenn dein Kind gerne mit diesen Karten spielt, ist das von Vorteil, weil das seine Motivation erhöht und es das Ganze als Spiel und nicht als „Arbeit“ wahrnimmt.

Wenn ihr das GuK-Kartenset (1 und/oder 2) zu Hause habt, könnt ihr das für spätere Varianten des Frühen Lesens ebenfalls verwenden. Dafür brauchst du dann jeweils die Bild- und die Wortkarten, die Karten mit den Gebärden benötigst du nicht.

Ein Tipp: Das persönliche Memory

Mein Kind war für unsere Memorykarten nicht wirklich empfänglich, und so war das Frühe Lesen anfangs bei uns kein Selbstläufer. Ich habe ihm dann eigene Memorykarten gebastelt mit Fotos von Gegenständen, Orten und Personen, die ihm viel bedeuten. Diese Karten kamen hervorragend an, und ab da lief es wirklich gut mit dem Üben.

Frühes Lesen: So geht’s

Das Frühe Lesen beginnt zunächst auf Bilderebene, anfangs sind also weder Worte noch Buchstaben im Spiel. Eine wichtige Voraussetzung für den Spracherwerb ist ein Verständnis von Kategorien.

Genau das wird in den Vorstufen des Frühen Lesens geübt.

Schritt 1: Bildkarten zuordnen

Nehmt euch ein Lotto- oder Memoryspiel zur Hand und beginnt mit einem einzigen Bild. Halte die Bildkarte hoch, so dass dein Kind sie gut erkennen kann. Erkläre deinem Kind: „Das ist … ein Ball.“ Ermutige es, das Wort „Ball“ nachzusprechen.

Lege die Bildkarte nun vor deinem Kind ab und halte die zweite Bildkarte mit demselben Motiv hoch. Fordere dein Kind auf: „Nimm … den Ball.“ Wenn es die Karte genommen hat, folgt die Aufforderung: „Lege … den Ball auf … den Ball.“ Das Kind soll nun die identischen Karten aufeinanderlegen, also einander zuordnen.

Übe mit anderen Karten und Motiven, bis es diese erste Stufe sicher beherrscht. Das ist dann der Fall, wenn es dreimal hintereinander Bildkarten richtig zugeordnet hat. Nun könnt ihr zur nächsten Schwierigkeitsstufe übergehen.

Verwende immer dieselben Formulierungen

Achte darauf, die Aufforderungen immer in derselben Reihenfolge und immer mit derselben Formulierung zu sprechen. So erleichterst du deinem Kind, das Frühe Lesen zu lernen und sich an die festen Abläufe zu gewöhnen.

Schritt 2: Zwei und mehr Bildkarten verwenden

Steigere die Schwierigkeit, indem du zwei Bildkarten vor dein Kind legst („Das ist … ein Haus. Das ist … ein Pferd.“). Nun soll es die passenden Bildkarten zuordnen und die Begriffe nachsprechen. Erweitere die Anzahl der Bildkarten, sobald dein Kind dazu bereit ist.

Eine Abwandlung der Übung ist, dass du dein Kind auswählen lässt. Zeige ihm zwei oder mehrere Bildkarten und fordere es auf: „Nimm / Zeige auf … den Ball.“

Beginne auch hier mit einer kleinen Anzahl und steigere diese Schritt für Schritt.

Schritt 3: Abstrakte Formen, Zahlen und Schriftzeichen

Wenn dein Kind die Bildkarten sicher zuordnen und die Wörter nachsprechen kann, ist es Zeit für die nächste Stufe: Nun verwendet ihr statt der Bilder abstrakte Formen beziehungsweise Zahlen und Buchstaben.

Das Prinzip ist dasselbe: Du zeigst deinem Kind die Karte mit dem „A“ und sagst: „Das ist … ein A.“ Dein Kind sagt: „A.“ Lege die Karte vor dein Kind, zeige ihm die nächste Karte mit dem „A“ und fordere es auf: „Nimm das „A“. Dann: „Lege „A“ auf „A“. Ebenso machst du es mit Zahlen.

Schritt 4: Ganze Wörter lesen

Die nächste Stufe beim Frühen Lesen sind die Workarten. Nun verwendest du Karten, auf denen ganze Wörter stehen. Wieder hältst du eine Karte hoch und sagst: „Da steht … Baum.“ Dein Kind spricht „Baum“ nach. Dann hältst du ihm die zweite Wortkarte hin und sagst: „Nimm… den Baum.“ Es nimmt die Karte und du sagst: „Lege den Baum auf den Baum.“

Beginne wieder bei nur einem Wort. Wenn dein Kind das Wort sicher erkennt, also „lesen“ kann, nimm ein weiteres Wort hinzu.

Wichtig: Sobald ihr bei mehr als einem Wort angelangt seid, achte darauf, dass sich die Wörter optisch stark unterscheiden. „Ei“ und „Seifenblasen“ eignen sich gut, „Bauch“ und „Buch“ eher nicht.

Wort- und Bildkarten kombinieren

Wenn dein Kind sich mit den Wörtern anfangs noch schwer tut, kannst du Wort- und Bildkarten kombinieren. Nutze dazu zum Beispiel die Bildkarten des GuK-Kartensets und kombiniere sie mit der Workarte oder bastele eigene Wort- und Bildkarten mit Motiven, die dein Kind motivieren (ein Foto vom Papa wird dem Wort „Papa“ zugeordnet – bei uns hat das super funktioniert und die Motivation zum Üben vervielfacht!). Wenn dein Kind sich die ersten Wörter sicher eingeprägt hat, lasse die Bildkarten nach und nach weg und übt nur noch mit den Wortkarten.

Worauf es bei der Sprachförderung ankommt

Fördern sollte immer spielerisch ablaufen. Es geht nicht darum, dass ein Kind in einer vordefinierten Zeit feste Ziele erreichen muss. Du weißt, dass die Entwicklung von Kindern in Schüben verläuft. Es ist immer toll, wenn ein Kind auf einmal etwas Neues gelernt hat. Die Phasen dazwischen, in denen sich einfach gar nichts tut, egal wie sehr man übt und fördert, gibt es aber auch. Und das ist richtig und normal. Das Gelernte muss sich ja festigen, eingeübt werden, bis es ganz sicher im Repertoire des Kindes verankert ist.

Lass dich also nicht entmutigen, wenn ihr regelmäßig übt, sich aber scheinbar keine Fortschritte einstellen. Umso wichtiger ist, dass du die Förderung als Spiel, als gemeinsame Zeit mit deinem Kind betrachtest. Dann kommt gar nicht erst der Gedanke auf, dass das viele Üben am Ende gar nichts bringt und man es genauso gut auch bleiben lassen könnte.

Ach ja, und noch etwas: Setze dich selbst nicht unter Druck. Ich habe von Anfang an viel mit meinem Kind geübt, und uns sind immer wieder Kinder mit Down Syndrom begegnet, die später oder weniger gefördert wurden, aber deutlich mehr konnten. Es hängt so viel von deinem Kind und dem ab, was es mitbringt (und viel weniger von uns, auch wenn uns oft anderes eingeredet wird).

Deshalb: Nimm das Ganze nicht zu ernst und probiere es einfach aus ohne großen Erwartungsdruck dahinter. Dein Kind entwickelt sich weiter – Schritt für Schritt in seinem Tempo.

Du bist die beste Mama, die es sich wünschen kann (erst recht, wenn du bis hierhin gelesen hast. :-))

Mach’s dir einfach: Wortkarten zum kostenlosen Download

Ich habe dir Vorlagen für Wortkarten erstellt, damit du das Frühe Lesen ohne viel Aufwand testen kannst. Einige Begriffe kannst du um Bildkarten (am besten eure eigenen Fotos) erweitern, du kannst aber auch nur mit den Wortkarten üben. Schreib mir doch in die Kommentare, wie das Frühe Lesen bei euch funktioniert.

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